Dawit Kldiaschwili
Dawit Kldiaschwili (1862–1931), Erzähler und Dramatiker, ist einer der herausragenden Schriftsteller des ausklingenden kritischen Realismus in Georgien. Seine Werke üben schonungslose Kritik an den sogenannten Herbstfürsten, den Vertretern der abgewirtschafteten, überlebten Aristokratie. Er ist ein hervorragender Stilist mit feinem Sinn für Humor.
Sein erster Roman, „Soloman Morbeladse“, erschien 1894, danach „Samanischwilis Stiefmutter“ (1896), „Kamuschadses Not“ (1900), „Rostom Manwelidse“ (1910) und „Bakulas Schweine“ (1920). Seine Theaterstücke gleichen den französischen Komödien der 1840-er, nur dass sie in einem imeretischen Dorf um die Jahrhundertwende spielen. Kldiaschwilis Werke sind tragikomisch und durchdrungen von, wie es der Autor nennt, „Lächeln durch Tränen hindurch“. In den 1920-ern schrieb er seine Memoiren, „Auf meinem Lebensweg“ (1925). 1930 erhielt er den Titel „Volkskünstler Georgiens“.
Werke
Kamuschadses Not, Roman, 145 S., 1900
Mit dem ihm eigenen tragischkomischen Humor erzählt Dawit Kldiaschwili in diesem Werk von der Misere der Landbevölkerung im Georgien des 19. Jahrhunderts. Die Mehrzahl der Protagonisten – Fürsten wie Bauern – lebt von der Hand in den Mund, kämpft ums nackte Überleben. Um nicht Hungers zu sterben, sind sie gezwungen, ihre Güter aufzugeben und den Heimatboden zu verlassen, um anderswo ein Auskommen zu finden, etwa in der Stadt. Es ist die Geschichte einer Landflucht – ein nicht nur in Georgien noch heute hochaktuelles Thema. Otia Kamuschadse stammt aus verarmten Landadeligenverhältnissen. Die Zeiten, wo Stand und Landbesitz noch Prestige und Privilegien einbrachten, sind vorbei. In dieser Situation sucht Otias Mutter Ekwirine eine standesgemäße Frau für ihren Sohn; sie selbst hofft auf eine tüchtige Schwiegertochter, die ihr zur Seite steht. Otia selbst ist ein rechtschaffener Landmann, der die Arbeit nicht scheut. Doch Sardion Kwelidse, ein Adeliger mit zwei Töchtern, der sich als Advokat über Wasser hält, indem er sowohl Adel wie Bauern vertritt und deren Händel weidlich ausnützt, hat Otia als Schwiegersohn abgelehnt. Auf Rat des „Störadvokaten“ Porphir Biaschwili begibt sich Otia in die Stadt auf Brautschau. Porphir stellt ihm Beglari Tschintscharadse vor, der als Gerichtsschreiber mehr schlecht als recht lebt, sich aber seinen Dünkel bewahrt hat. Er hat eine Schwester, Sonia; Mutter Pelagia und Beglari sind froh, ein Maul weniger füttern zu müssen, und verlangen nicht einmal Brautgeld. Otia gefällt das bescheidene Mädchen, und Ekwirine ist hochzufrieden, eine Städterin zur Schwiegertochter zu bekommen und bei den Nachbarn mit ihr angeben zu können. Sonia jedoch ist todunglücklich, denn obwohl Otia ein lieber, fleißiger Mann ist, wird ihr schnell klar, in was für eine Misere sie geraten ist. Erst als sie Kwelidses Töchter kennen lernt, lebt sie ein wenig auf; sie schließt mit der engelhaften Nino enge Freundschaft und wünscht sich, dass sich ihre Familie mit den Kwelidses verbindet. Und wirklich macht Beglari während der Taufe von Sonias erstem Sohn Nino einen Antrag. Sogar den Ring steckt er ihr schon an den Finger. Aber dann verlangt Sardion Brautgeld, Beglari lässt die Heirat platzen, Ninos Ehre ist befleckt, und Sardion und Beglari wollen gerichtlich gegeneinander vorgehen. Sonia sieht keine Zukunft mehr für ihre Familie. Denn während all dem werden die Ernten immer schlechter, Familien zerstreiten sich, Menschen sterben vor lauter Entbehrungen. Als Otia seine Steuern nicht mehr entrichten kann, setzt ihm Sonia ein Ultimatum: Entweder geht er mit ihr in die Stadt, oder sie verlässt ihn …
Mikela, Erzählung, 17 S., 1904
In dieser höchst eindrucksvollen Erzählung übt Kldiaschwili harte Kritik am Aberglauben, der zu seiner Zeit Arm wie Reich verblendete und heute erneut grassiert in Georgien. Der alte Mikela hat einen Großteil seiner Familie, darunter seine drei Söhne, verloren. Nur noch eine Schwiegertochter und zwei Enkel sind ihm geblieben. Auch Spidon, der ältere von den beiden, erkrankt, kehrt jedoch von der Schwelle des Todes zurück, worauf ihn alle befragen, wie es denn im Jenseits sei. Spidon erklärt, er wisse nur, dass er binnen Jahresfrist sterben würde und er dann gerne alle Fragen und Grüße an bereits Verstorbene mitnehmen und ausrichten werde. Mikela ist besessen von der Angst, dass sein Name ausstirbt und die Hoffnung nun nur noch auf dem geliebten kleinen Nestora ruht. Er beschließt, diesen in einem anderen Dorf zu lassen, Spidon in eine behelfsmäßige Hütte auszuquartieren, während er sein Haus vom Bösen reinigen lässt. Das heißt, er lässt es Balken um Balken auseinandernehmen, diese säubern und das Haus an anderer Stelle wieder aufbauen. Spidon jedoch darf nicht in das gereinigte Haus zurück, und Mikela nähert sich ihm nur auf Abstand. Sogar als der Winter einbricht und ein Sturm mit sintflutartigem Regen auf das Gut niedergeht, muss er in der Hütte ausharren. Mikela versucht zwar, das Wasser abzuleiten, sodass es die Hütte nicht flutet, aber scheint nicht allzu besorgt, denn er glaubt fest, dass der Kranke nicht vor Ende der Jahresfrist sterben wird. Am Morgen nach dem Sturm steht die Hütte nicht mehr, und Spidon liegt tot im Schlamm …
Die Erzählung wurde 1965 von Eldar Schengelaia verfilmt.