Über Georgien

Georgien ist eine mythische Gegend: Prometheus – auf georgisch Amirani – soll am Kasbek angekettet sein, Iason aus den Kolchischen Niederungen das Goldene Vlies und die Georgierin Medea nach Griechenland entführt haben.

Georgien war Schnittpunkt der Handelswege zwischen Europa und Zentralasien, Russland und dem Mittleren Osten. Für viele fremde Dichter und Autoren war das Land Zuflucht, Geheimnis und Wunder – von Lermontow über Alexandre Dumas und Boris Pasternak, Sergio Pitol bis zu Andrei Bitow, Adolf Endler und Clemens Eich.

Im vergangenen Jahrhundert war Tbilissi bis in die 1930er Jahre hinein lebendiges Zentrum moderner Kunst und Kultur (insbesondere eines georgisch geprägten Futurismus und Modernismus), das Schriftsteller und Intellektuelle aus Russland und Westeuropa anzog. Die Einverleibung Georgiens in die Sowjetunion isolierte das Land während über siebzig Jahren und strangulierte Kunst und Literatur. Erst nach Stalins Tod erwachte die georgische Literatur in den 1960-ern wieder zum Leben, doch fand sie ihren Weg kaum über den Eisernen Vorhang und die Mauer hinaus in den Westen.

Das heutige Verlagswesen in Georgien musste Mitte der 1990-er in der Zeit nach dem Bürgerkrieg unter schwierigsten Umständen von Grund auf neu aufgebaut werden. Mit dem Kollaps des sowjetischen Verlagswesens war auch die Buchindustrie zusammengebrochen. Noch um die Jahrtausendwende musste die georgische Leserschaft befürchten, dass das georgische Buch aussterben würde. Das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet. Georgiens Buchmarkt ist mit nur 3,7 Millionen Einwohnern zwar ein sehr kleiner Markt. Aber: Die Verlage bringen Jahr für Jahr mehr Novitäten heraus, weil immer mehr Menschen Bücher kaufen oder leihen.

Die Sprache, die Schrift und damit die Literatur blieben neben der Religion die einzige Konstante und Identifikationsquelle während der leidvollen Geschichte und wurden leidenschaftlich immer wieder verteidigt. Das ist auch heute noch so. Nicht umsonst war das Motto des spektakulären Gastlandauftritts Georgiens an der Frankfurter Buchmesse 2018 „Georgia Made by Characters“ und das Leitmotiv das georgische Alphabet, denn: „Nichts passt so zum georgischen Wort und Charakter wie das georgische Alphabet, und nichts ist so georgisch wie das georgische Alphabet.“ (Aka Mortschiladse) Eine neue Generation von Autoren und Autorinnen hat sich etabliert und feiert auch im deutschsprachigen Raum Erfolge.