Aka Mortschiladse

Aka Mortschiladse

1966 in Tbilissi geboren, ist Georgiens meistgelesener und kreativster Gegenwartsautor – ein virtuoser Fabulierer und präziser Historiograph. Mortschiladse findet wie Milorad Pavić, dass ein Roman nicht unbedingt vorne anfangen und bis zum Schluss geradeaus vorangehen muss, sondern macht mit den Theorien vom emanzipierten Leser (Umberto Eco) ernst.

Mortschiladse arbeitete als Dozent für Georgische Geschichte an der Staatlichen Universität Tbilissi, als Sportjournalist und moderierte eine eigene, sehr populäre TV-Sendung zur Geschichte und Literatur Georgiens. 1992 erschien sein Romanerstling, „Reise nach Karabach“. Der literarische Durchbruch gelang ihm 1998 mit „Flug über die Madatow-Insel und zurück“, ein Roman, der den Grundstein legte für die zeitgenössische moderne georgische Literatur. Seither sind über zwanzig Romane, mehrere Kurzgeschichtenbände und erzählende Sachbücher erschienen. Mortschiladse wurde in Georgien mehrfach ausgezeichnet. Einige seiner Werke wurden verfilmt und dramatisiert. Der Autor lebt in London und Tbilissi.
Außer Romanen sind in Sammlungen auf Deutsch u.a. erschienen: „Batumi – Eine Stadt riecht nach Flucht“ (deutsch von Natia Mikeladse-Bachsoliani /Rachel Gratzfeld), in: „Odessa Transfer“, Suhrkamp, Berlin 2009; „Ein Buch über Europas Vielfarbigkeit – Mit kleinen Anmerkungen von Giorgi Achwlediani“ (deutsch von Kristiane Lichtenfeld), in: „Europaexpress: ein literarisches Reisebuch“, Eichborn, Frankfurt/M 2001.

Werke

Liebe und Tod in Tiflis, Roman, Mitteldeutscher Verlag 2021. Deutsch von Rachel Gratzfeld.

Originalausgabe: Maid in Tiflis, Bakur Sulakauri 2007. SABA-Preis für den besten Roman.

Mogela und Lewiko – zwei junge Männer in Tiflis und Freunde seit Jugendzeiten. Mogela lebt am linken Ufer des Flusses in einem großen alten Haus voller Bücher, die sein bibliomaner Großvater hinterlassen hat, Lewiko im reicheren Viertel am rechten Ufer. Mogela liest keine Bücher, verbringt seine Tage kiffend und tagträumend und denkt vor allem an Lewiko. Dieser ist unter mysteriösen Umständen umgekommen, während sich Mogela einige Jahre in Amsterdam durchs Leben schlug. Ist er wirklich tot oder abgehauen? Und dann findet Mogela in einem Dickens-Band, den Lewiko ausgeliehen und vor seinem Verschwinden noch zurückgebracht hat, eine Telefonnummer und erinnert sich, was sein Freund ihm vor seiner Abreise nach Amsterdam scheinbar im Scherz gesagt hat: Ich lass dir eine Telefonnummer da, für alle Fälle, die rufst du an und fragst nach Mascha … Weitere Telefonnummern von anderen Frauen tauchen auf, und Mogela entdeckt, dass Lewiko ein Doppelleben führte. Und nicht nur er, auch Mogelas Großvater scheint noch ein anderes Leben geführt zu haben, denn zwielichtige Typen, die sich in Mogelas Hinterhof herumtreiben und angeblich vergrabenes Gold suchen, bedrohen ihn und zwingen ihn zur Flucht. Den Schlüssel zu seinem vielzimmrigen Haus hinterlässt er der Frau, die er liebt und die er Rose von Schiras nennt. Sie verspricht, „alles zu klären“ – warum Lewiko verschwunden ist und was sein Großvater verborgen hat. Im Haus der zwanzigtausend Bücher macht sich die Rose von Schiras auf die Suche …
Das Tiflis dieses Romans ist eine mystische Stadt, eine Stadt mit vielen Gesichtern. Genau so wie ihre Menschen, die Lebenden und die Toten, viele Gesichter haben.


Obolé, Roman, Mitteldeutscher Verlag 2018. Deutsch von Natia Mikeladse-Bachsoliani.

Originalausgabe: Obolé, Bakur Sulakauri 2011. SABA-Preis für den besten Roman.

Irakli lebt in Tbilissi, als er eines Tages aus seinem Heimatdorf in der Nähe der wilden Berge von Swanetien eine Nachricht erhält: Sein altes Haus droht einzustürzen, und das Dach muss dringend repariert werden. Während der wenigen Tage, die Irakli im Haus seines Großvaters verbringt, wird er von Erinnerungen, von der wechselhaften Geschichte und den Geschichten des Ortes überwältigt. Auf dem Dachboden entdeckt er die längst vergessene Obolé, eine alte, wunderschön gearbeitete Steinschlossflinte, von der keiner weiß, wann sie ihren letzten Schuss abgefeuert hat. In Friedenszeiten und wenn es keine Kinder im Haus gab, hing sie an der teppichbedeckten Wand des Wohnzimmers. Obolé stammt aus einer Zeit, als Gewehre noch Frauen glichen, und Irakli fühlt sich zu ihr hingezogen wie zu einer schönen Frau …
Eine Geschichte voller Nostalgie und Wehmut, meisterhaft erzählt.


Der Filmvorführer, Roman, Weidle Verlag 2018. Deutsch von Iunona Guruli.

Originalausgabe: Mamluki, Bakur Sulakauri 2009. Literaturpreis der Ilia-Universität Tbilissi für den besten Roman.

Das Schicksal verschlägt den Sohn des letzten Khans von Kirbali, einem fiktiven mittelasiatischen Fürstentum, in eine georgische Kleinstadt und verbindet ihn für immer mit einem gewöhnlichen georgischen Jungen. Er wird dem Jungen aus der Provinz, der erst Afghanistankämpfer, dann Historiker wird und schließlich zum Taxifahrer verarmt, ein Königreich hinterlassen. Wie früher die Mamelucken wird dieser in ein fremdes Land gehen und dort zu Amt und Würden kommen, nur dass er seine Heimat – nicht wie die damals ins Osmanenreich verschleppten Georgier – freiwillig verlässt. Es ist die Geschichte einer Freundschaft und gleichzeitig die Geschichte der für Georgien tragischen 1990er Jahre, vor und nach der Perestroika und dem Bürgerkrieg.


Reise nach Karabach, Roman, Weidle Verlag 2018. Deutsch von Iunona Guruli.        

Originalausgabe: Mogsauroba Qarabaghschi, Bakur Sulakauri 1992.

Mortschiladses Erstling und seit Erscheinen ein Best- und Longseller, was auf seine anhaltende Aktualität hinweist, insbesondere was die emotionale Verfassung einer ganzen Generation und die Konflikte im Kaukasus angeht. Der Roman, eine Art Roadmovie, wurde 2004 verfilmt.
Gio, ein junger Georgier verliebt sich in eine Prostituierte. Als sein Vater ihn zwingt, die Beziehung aufzulösen, verfällt er in eine tiefe Depression. Er begleitet einen Freund über die Grenze nach Aserbaidschan. Dort wollen sie günstig Drogen einkaufen und nach Georgien schmuggeln. Der Plan ist, noch am selben Abend zurück zu sein. Die Verhältnisse in der Region sind jedoch verworren, Bürgerkrieg und Chaos erschweren und erleichtern zugleich ihr Vorhaben. Gio und Goglik müssen zahlreiche Grenzen – auch semioffizielle – passieren, Mittelsmänner aufsuchen und dunkles Niemandsland durchqueren. Als sie die Orientierung verlieren und plötzlich auf sie geschossen wird, nimmt der Ausflug eine spannende Wendung …


Schatten auf dem Weg – Unbekannte Geschichten aus der Sowjetzeit in Georgien, Mitteldeutscher Verlag 2018. Deutsch von Natia Mikeladse-Bachsoliani.

Originalausgabe: Tschrdili gsase, Bakur Sulakauri 2014.

„Schatten auf dem Weg“ reflektiert die Geschichte von Tbilissi während der Sowjetzeit, von der Stalin-Ära bis in die 1990er Jahre und zum Zusammenbruch des Sowjetimperiums. Das Werk handelt nicht nur vom Leben in einem totalitären Staat, sondern untersucht vielmehr die Gesetzmäßigkeiten der subversiven Bewegungen im Schatten des Machtsystems.
Ein spannendes, ernstes Buch mit atmosphärisch starken Bildern von einem Tbilissi, das es nicht mehr gibt, das aber in seinen Bewohnern weiterwirkt. Ein einmaliges Buch, denn so wurde über diese Stadt noch nie geschrieben.


Santa Esperanza, Roman, Pendo 2006 / Mitteldeutscher Verlag 2017. Deutsch von Natia Mikeladse-Bachsoliani.

Originalausgabe: Santa Esperanza, Bakur Sulakauri 2004. SABA-Preis für den besten Roman.

Dieses literarische Feuerwerk entführt den Leser in eine manchmal ironisch-skurrile, manchmal leise melancholische, jedoch immer faszinierende Welt: auf die imaginären Santa-Esperanza-Inseln im Schwarzen Meer. Aus unzähligen Fragmenten – Liebesgeschichten, Flaschenpost, Märchen, Mythen und Sagen, alten Chroniken, aber auch E-Mails und Zeitungsartikeln entsteht ein farbenprächtiger Kosmos. Santa Esperanza ist Schmelztiegel der unterschiedlichsten Völker: Georgier, Genuesen, Osmanen und schließlich die Briten suchten im Laufe der Geschichte die drei wundersamen Inseln heim. Wer geblieben ist, hat eigene Traditionen, Gesetze und Bräuche erdacht, um auf dem geliebten Fleck Erde mit List dem stetigen Strom der Eroberer zu trotzen.
Aus unzähligen Mosaiksteinen entsteht ein großartiges Epos darüber, was überall und zu allen Zeiten auf der Welt passiert, wenn alte Herrschaftssysteme stürzen und Gesellschaftsstrukturen zerbrechen.

Gewaltig. Ein Buch, dessen strukturelles, gestalterisches und literarisches Niveau gleich hoch ist. Mindestens 141 Augenblicke des Glücks stecken in diesem Roman, der ein Abenteuer ist und ein Spiel. Das Spiel des Jahres.
ELMAR KREKELER

 

… die wohl verrückteste und verwegenste verlegerische Leistung der Saison. Man kann ‚Santa Esperanza‘ als große Georgien-Metapher lesen. Aber man muss es nicht. Denn Mortschiladse hat eine so verspielte, wahnsinnige, quicklebendige Welt geschaffen, dass der winzige Vielvölkerstaat unbedingt einen Platz in den Vereinten Nationen verdient. […] So wie Ingo Schulzes ‚33 Augenblicke des Glücks‘ eine postmoderne Verneigung vor den russischen Klassikern waren, so verbeugt sich der Georgier vor der Literatur des Westens, was dazu führt, dass sein Ton dem Leser wunderbar vertraut ist.
SONJA ZEKRI, Süddeutsche Zeitung


Von alten Herzen und Schwertern, Roman, Mitteldeutscher Verlag 2020. Deutsch (aus dem Englischen) von Marco Organo.

Originalausgabe: Dsweli gulebisa da chmlisa, Bakur Sulakauri 2007.

In 54 kurzen, geschliffenen Kapiteln schildert Mortschiladse die dramatische Geschichte einer Entführung, eine Liebesgeschichte und eine Verfolgungsjagd quer durch das vom russischen Imperium annektierte Georgien des 19. Jahrhunderts.
Ein seltsam verknäultes Schicksal verbindet die Figuren miteinander, und die Erzählung nähert sich zeitlich wie geografisch von zwei Enden her der Auflösung, die in ein Showdown mündet. Sie beginnt mit der Freilassung des jungen georgischen Adligen Baduna Pawneli, der angeblich einen russischen Offizier getötet hat. Er macht sich von Tiflis aus nach Westen auf die Suche nach seinem verschollenen Bruder, während ihm die russische Gendarmerie quer durch Georgien auf den Fersen ist. 1828, der Zeit der Handlung, ist Georgiens Mitte beinahe weglos; den Georgiern selbst ist das eigene Land jenseits bzw. diesseits des Passes, der West und Ost trennt, fremd. Baduna geht den Weg zum ersten und zum letzten Mal. Dem klassischen tragischen Helden gleich, wagt er alles, ohne zu wissen, was ihn am Ende des Wegs, am Schwarzen Meer, erwartet: Dort holt ihn die Vergangenheit, zusammen mit den russischen Verfolgern, ein. Aus den politischen Verwicklungen schält sich eine Tragödie heraus, die letztlich eine ganz private ist.

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